Wie eine Maastrichter Kunstmesse New York erobert
Wie eine Maastrichter Kunstmesse New York erobert
Das ist nicht bloß another art fair, wie jemand im Eingangsgewühl sagt und ausspricht, was man tatsächlich denken könnte: Braucht New York, Amerika, die Welt unbedingt noch eine Kunstmesse? Die Antwort lautet ganz klar: Nein, aber diese hier schon.
The European Fine Art Fair (Tefaf), die weltweit führende Messe für Kunst, Kunsthandwerk und Antiquitäten in Maastricht, hat seit vergangenem Jahr einen Ableger in Manhattan und zwar gleich an zwei Terminen. Im Herbst werden parallel zu den großen Herbstauktionen Alte Meister gezeigt. Nun im Frühjahr, wenn ebenfalls Versteigerungen mit Impressionismus, Moderne und Gegenwartskunst in den großen Häusern abgehalten werden und die Messe Frieze für zeitgenössische Kunst stattfindet, nimmt die Tefaf New York Spring Kunst und Design des 20. Jahrhunderts in den Fokus.
Die Zweiteilung hat mehrere Gründe. Zum einen den Standort: Die Park Avenue Armory ist ein mit opulenten Holzschnitzereien verzierter Bau aus dem Jahr 1861. Hier fand 1913 die legendäre Armory Show statt, wo seinen Akt, eine Treppe herabsteigend zeigte, dessen als skandalös empfundene Aufsplitterung ihn in Amerika auf einen Schlag berühmt machte.
Die Tefaf juriert jedes einzelne Werk
Das prachtvolle Ambiente ist der perfekte Ort für die Tefaf, die auch in Maastricht mit royaler Eleganz für sich wirbt, doch bietet der Bau nur Platz für knapp hundert Aussteller. Also sicherte die Messe sich einfach zwei Termine im Jahr – und machte aus der Not eine Tugend: Wer nun auch wegen der Frieze in die Stadt kommt, trifft hier auf moderne Klassiker in höchster Qualität.
Die Kombination von Kunst mit Möbeldesign lässt manche Stände aussehen wie das Wohnzimmer einer exzentrischen Sammlervilla. Dazwischen eingestreut sind nicht nur zeitgenössische Arbeiten, sondern auch Stände mit archäologischen Stücken sowie Schmuck und Glasobjekte. Die Messe setzt sich in dem auch in Maastricht üblichen Tulpenmeer in Szene, das in New York bis zu den Holzdecken der Haupthalle emporfließt und kombiniert ist mit einem minimalistischen Standdesign. Diese Einheit wirkt vornehm – und zieht dabei ein Publikum aus Experten und Neugierigen an, das wohl kaum extra nach Holland gereist wäre.
Das Ziel ist also klar: Die vielen New Yorker Uptown-Sammler, die hier mit großen Augen durch die Halle schreiten, sollen für das Altmeistergeschäft der Tefaf gewonnen werden. Umgekehrt sind erstmals Galeristen vertreten, die sich normalerweise an Gegenwartskunst halten, jetzt aber auch an Moderne Klassiker: Der Pariser Großgalerist Emmanuel Perrotin zum Beispiel, der gerade eine neue Dependance an der Lower East Side eröffnet hat, vertritt nun den Nachlass von Hans Hartung. David Zwirner zeigt die Bauhaus-Ikonen . Die Lisson Gallery präsentiert Carmen Herrera.
Perfektes Ambiente für die Uptown-Klientel
Die Tefaf hat hier in New York dieselbe DNS wie in Maastricht, sagt ihr Direktor Patrick van Maris. Doch nun können wir erstmals ein amerikanisches Publikum damit vertraut machen. New York ist der wichtigste Standort für Kunsthandel. Es war für uns wesentlich, hier präsent zu sein und die Leute so auch für Maastricht zu begeistern. Den Händlern kommt dabei entgegen, dass die Messe in New York kürzer ist als in Maastricht, wo sie zwölf Tage dauert.
Wer nun, wie etwa Acquavella Galleries aus New York, erstmals seit vielen Jahren wieder an der Tefaf teilnimmt, trifft vor Ort nicht nur seine Stammkunden – sondern lernt auch eine andere Klientel kennen, etwa aus dem Designbereich. Die perfekte Vorbereitung für die große Schau des Architekten Pierre Chareau im New Yorker Jewish Museum sind die Stände von L’Arc en Seine und Vallois aus Paris, die jeweils ihren gesamten Stand dem warmhölzernen Design von Pierre Chareau aus den Zwanziger- und Dreißigerjahren widmen.
Sammler auf dem Niveau der Tefaf konzentrieren sich nie nur auf ein Medium. Sie kuratieren ihre Häuser. Wer Kunst sammelt, kauft auch Möbel und Kunsthandwerk, heißt es bestätigend am Stand von Vallois. Wie das aussehen kann, zeigt auch die Galerie Yves Macaux aus London und Brüssel. Ein tiefschwarzer Holztisch mit hohen Stühlen von Josef Hoffmann kostet mehr als eine Million Dollar, an den Wänden reihen sich Zeichnungen von Schiele und ein kleines naturnahes Gemälde von aus dem Jahr 1939 für 800.000 Dollar – der Stand wirkt wie ein dandyesker Salon aus den Anfängen der Moderne.
Messe für eklektische Sammler
Exzellenz, Bedeutung und Originalität sind die Kriterien der Tefaf, deren Jury jedes Ausstellungsstück einzeln prüft. Da wirkt es beliebig, wenn sich am Stand der Phoenix Ancient Art Gallery (Genf/New York) antike griechische Skulpturen und römische Gläser in einer Zeitspanne von sechs Jahrhunderten finden. Solche Stücke korrespondieren mit der Abstraktion des 20. Jahrhunderts, sagt der Galerist. Viele unserer Kunden sammeln völlig eklektisch. Sie erwerben Kunsthandwerk, Möbel und Kunst aus allen Epochen.
Ob diese Sammler auch für zeitgenössische Galerien wie Petzel aus New York interessant sind? Dort kostet ein typischer Druck mit U-Form von Wade Guyton aus dem Jahr 2005 3,5 Millionen Dollar – ein absurder Preis, wenn man die avantgardistische Strahlkraft etwa bei Ben Brown Fine Arts (London/Hongkong) dagegenhält, der seinen Stand Lucio Fontana widmet. Brown bietet feinste Papierarbeiten und herausragende Keramiken zwischen 100.000 und zwei Millionen Dollar an, sowie eine große geschlitzte Leinwand für zwölf Millionen Dollar. Auf der Messe ist Fontana beinahe überrepräsentiert – unter anderem bei Karsten Greve (Köln/Paris) finden sich zwei außergewöhnliche Vasen für je 600.000 Dollar.
Mehr Museumsqualität auf so kleinem Raum ist kaum denkbar, und die zeitgenössische Kunst hat es da nicht leicht. Wie schwierig die direkte Verschränkung von Alt und Neu sein kann, wird bei Peter Freeman aus New York deutlich: Hier treten Medardo Rosso und Thomas Schütte in Dialog. Vom Düsseldorfer Bildhauer wurde ein großer Aluminiumkopf für 400.000 Dollar sofort verkauft, seine Büsten aus Glas und Keramik sehen jedoch neben dem Altmeister ungewohnt dekorativ aus.
Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Warteliste fürs nächste Frühjahr rasant wächst und mehr zeitgenössische Galerien mit Secondary-Market-Geschäften anzieht, denen ein jüngeres Messeumfeld vielleicht bald zu beliebig und anspruchslos erscheint. Die Tefaf setzt Maßstäbe – auch in der Gegenwart.